Ganze 37 Millionen Email-Wechsel soll der Bundesnachrichtendienst 2010 überprüft haben. Der Berliner Anwalt Niko Härting wehrt sich vor Gericht gegen die „unverhältnismäßige“ Überwachung – und verliert. In der Niederlage verbirgt sich jedoch ein kleiner Sieg.
Haben Sie Bekannte in den USA? In England oder in Frankreich? Schreiben Sie Ihnen hin und wieder eine E-Mail? Falls das so ist, könnte es sein, dass nicht nur Sie und der Empfänger den Inhalt der Mail kennen, sondern noch jemand – und gemeint ist jetzt nicht die NSA. Es gibt noch weitere Mitleser: Einem Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums zufolge, hat der Bundesnachrichtendienst (BND) im Jahr 2010 ganze 37 Millionen E-Mail-Wechsel mit 196 Ländern überprüft. Als „nachrichtendienstlich relevant“ entpuppten sich – zwölf. Der Berliner Anwalt Niko Härting wehrt sich gegen diese „unverhältnismäßige“ Überwachung. Am vergangenen Mittwoch wurde seine Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig abgewiesen.
Härtings Kanzlei arbeitet international, der Anwalt selbst ist Mitglied in mehreren internationalen Fachverbänden. „Ich kommuniziere oft per E-Mail mit Kollegen und Mandanten im Ausland, zum Beispiel im arabischen Raum und in Russland“, sagt Härting. Er sieht den Schutz der Anwaltskorrespondenz gefährdet.
Ohne Niko Härting hätte wohl niemand erfahren, dass der BND nicht nur den E-Mail-Verkehr mit Staaten prüft, von denen potenziell Gefahr ausgeht. „Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass auch Mails in die USA und nach Europa mitgelesen werden“, sagt Niko Härting. Das wurde erst in der Verhandlung in Leipzig bekannt.
Niko Härting, Jahrgang 1964, beschäftigt sich seit 15 Jahren mit Internetrecht. Schon als der Bericht des Kontrollgremiums 2012 erschien, meldete Härting Bedenken an, schrieb darüber in seinem Blog. Aufmerksamkeit erregte das kaum. „Es war die Zeit vor Edward Snowden“, sagt der Anwalt. „Die Sensibilisierung für das Thema war nicht so groß. Außerdem gibt es die Neigung, den Nachrichtendiensten zu vertrauen – zumindest den eigenen.“ Auf Empörung wartete Härting vergeblich, also entschloss er sich selbst zu einer Klage.
Die wurde nun abgelehnt. Sie sei nicht zulässig, da Härting nicht beweisen könne, von der Überprüfung durch den BND betroffen gewesen zu sein. Eine Niederlage, in der sich ein kleiner Sieg verbirgt: „Das Gericht hätte die Entscheidung, meine Klage abzuweisen, in kurzer Zeit abhandeln können“, sagt Härting. Stattdessen dauerte die Verhandlung, bei der auch BND-Vertreter anwesend waren, sieben Stunden lang.
Wirklich überrascht hat ihn die Ablehnung des Verwaltungsgerichtes letztendlich nicht. „Möglicherweise überlässt man die heikle Angelegenheit lieber dem Bundesverfassungsgericht“, sagt er. „Ich habe das als Einladung verstanden.“
Härting wird in Karlsruhe Beschwerde einlegen. Er fordert Einschränkungen der BND-Befugnisse. „Ich habe daran vor allem als Staatsbürger Interesse. Es kann nicht sein, dass der deutsche E-Mail-Verkehr in alle Welt überwacht wird. Jeder von uns könnte da hineingeraten.“
Quelle: Berliner Zeitung